
Gestern habe ich mal ausreichend Zeit mitgebracht, um den ganzen Galerien-Cluster Kochstraße 60 „durchzuarbeiten“.
Zur Straße hin öffnet sich die Galerie Crone mit großen Fenstern zur Straße. Dort wir zur Zeit 25jähriges Jubiläum gefeiert und dem entsprechend sieht man eine Sammelausstellung der seither vertretenen KünstlerInnen. Das führt dazu, dass die Arbeiten wenig konzeptionell eingebunden sind und entsprechend auch kaum Zugänge zu den Werken der einzelnen KünstlerInnen geschaffen werden. Aber wozu auch? Die Namen hängen hier als Brands an der Wand. Norbert Bisky, Hanne Darboven, Alex Katz, Rosemarie Trockel, Jonathan Meese, um nur ein paar zu nennen. Also Kunst, die in den allgemeinen Kanon aufgenommen wurde, die nichts mehr leisten muss. Ganz apart: hier ist man unter sich.
In den Galerien im Hof und in den oberen Stockwerken ist es aber spannender. Da trifft man auf KünstlerInnen, die nicht alle schon mit großen Retrospektiven in wichtigen Museen zu sehen waren und hier kann man auch erknennen, was der ehemalige Chef-Kurator des Hamburger Bahnhofs Heiner Bastian bei seinem medial aufgebauschten Abgang sagte: „Während die Museen die zeitgenössische Kunst vernachlässigen, gibt es in Berlin mindestens zehn oder fünfzehn Galerien, die inzwischen Weltniveau haben und Künstler aus der ganzen Welt vertreten.“ Sieben davon residieren in unglaublich weitläufigen Räumen in der Kochstraße. Man kann bei einer offenen Tür hinaus und bei der nächsten hineingehen, schon hat man die Galerie, die Ausstellung und den Künstler gewechselt. Dabei sind die Einzelausstellungen tatsächlich von annähernd musealem Format.
Herausstechend ist derzeit die Jablonka Galerie mit den raumgreifenden Installationen von Mike Kelly, der parallel auch noch in der Ackerstraße 76 präsentiert wird. Die Inszenierung geht hier weit über das hinaus, was man von Galerien „gewohnt“ ist. Man betritt ein gigantisches Labor mit hyperrealen Gerätschaften. Allerlei Glaskessel und Zylinder stehen unter symbolischen Druck und in ihnen wachsen künstliche Städte aus den angeschlossenen Gasgemischen. Das Ganze bezieht sich auf die imaginierte Stadt Kandors, die als Heimatstadt des Comic-Helden Superman vielen bekannt sein dürfte. In den Comics wird Kandors immer wieder anders dargestellt und auch Supermans eigene Erinnerung wird immer wieder neu interpretiert. Mike Kelly interessiert sich für diese Launen der Erinnerung und zeigt sie als Konstruktionen, deren Baumaterial die unterdrückten Kräfte des Unbewussten sind. Ebenso verweist er auf die Künstlichkeit der Idee der Stadtplanung. Es geht um die Erschaffung von Phantasiewelten, die doch in die Realität hinauswachsen. Sei es im Comic oder in solchen Projekten, wie der Erbauung der brasilianischen Planhauptstadt Brasília.
Man kann unmöglich alle Ausstellungen der verschiedenen Galerien besprechen, dafür sind es einfach viel zu viele. Aber ein paar kurze Sätze über die auffälligsten will ich doch verlieren. In der Galerie Klara Wallner kann man einige Werke von Hannah Dougherty besehen, für die ich sehr empfänglich bin. Die Pappkarton-Aluabgüsse und Gorillas von Jürgen Drescher bei Isabella Czarnowska sind super, dafür seine Aluträne um so schlimmer. Bei Michael Janssen zeigt Till Gerhard einige Bilder und Installationen, über die er seine Erfahrungen bei einer Deutschlandreise verarbeitet. Schaurig sehenswert.
Hier alle Links zu den Galerien des Clusters:
Galerie Isabella Czarnowska
Galerie Crone Andreas Osarek
Galerie Caprice Horn
Jablonka Galerie
Galerie Michael Janssen
Klara Wallner
Galerie Julius Werner Berlin
(ich hoffe, ich habe keine übersehen)