Hinter dem Elefanten Press-Verlag-Buchladen (oder wie immer dieser Laden heißt?) in der Oranienstraße findet sich der wunderbare Ausstellungsraum der NGBK (Neue Gesellschaft für Bildende Kunst). Zur Zeit öffnet sich hier im Rahmen von „Crosskick“ ein „RigaREVIEW“ genanntes Fenster zur jungen lettischen Kunst, denn einige Studierende der Kunstakademie Riga werden mit ihren Arbeiten präsentiert. Was man sofort sehen kann ist, dass in Lettland mindestens auf dem gleichen „Standard“ gearbeitet wird, wie hier zu Lande. Die Künstler arbeiten grenzenlos und genreübergreifend von Illustartionen auf Salzteig über allerlei Installationen bis zu nüchternen Videodokumentationen. Es gibt viel Kunst zum Anfassen (im Messebau würde man sagen „Hands-On-Exponate“), die sympathisch low-tech-orientiert sind, Malerei wird aus der Street-Art inspiriert und skulptural arbeitende Künstler gehen fließend in den Bereich Installation und Performance über. Ein Werk hat mich sehr beeindruckt, ein gigantisches, trompetenartiges Horn von Oskars Poikans, das mittels einer bezaubernd leichten Spannkonstruktion im Raum steht. Es läd zum Bespielen ein, denn es ist ausdrücklich als Blasmusikinstrument konzipiert, das auch in Performances als solches eingesetzt wird. Gegen dieses riesige Ding sieht jedes Alphorn aus wie ein Trinkhalm und jedes Megaphon wie eine Flüstertüte. Das Werk ist mit „Luftsäule – 12,3 m langes Horn für niedere Frequenzen“ betitelt, was deutlich macht, dass es dem Künstler sowohl um die visuelle, wie um die akustische Qualität des Objekts geht. Spielt man darauf, oder singt man hinein, geschieht etwas eigenartiges: Man wird vom selbst erzeugten Ton wie abgeschnitten, denn dieser tritt zwar überlaut am anderen Ende des Horn aus, doch auf der Seite der Tonerzeugung wird er fast vollständig abgesaugt. So bekommt man die Klangqualität des Objekts eigentlich nur mit, wenn jemand anderes für einen spielt. Wenn man das Kunstwerk erleben will, bleibt die Interaktion also nicht auf einen alleine beschränkt, sondern man spielt sich notgedrungen gegenseitig etwas vor.
Auch die meisten anderen Arbeiten interagieren mit dem Betrachter, der die Installationen regelrecht benutzen muss. Einmal muss man sich auf ein Fahrrad setzen und über das Treten mit einem Dynamo Strom erzeugen, um eine Nachtaufnahme zu hinterleuchten, auf der dann einige Street-Art-Figuren und Botschaften zu erkennen sind, ein Andermal wird man eingeladen, auf einen bunten Print mit noch bunteren Dartpfeilen zu werfen um dort einen „Rock Star“ zu treffen. Eine Einladung zum gepflegten Bildersturm.
Wie fast immer in der NGBK ist alles hervorragend dokumentiert und beschrieben, samt vielen Informationen zur Akademie in Riga und der historischen Verbindung zwischen der NGBK und Lettland.
Die Ausstellung läuft bis zum 22. April 2007