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Archiv der Kategorie ‘Kunst‘

22. März 2012 11:23:14

… übersetzt und andere Worte

Eine Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst und im Kunstraum Kreuzberg
Noch bis zum 15. April präsentieren die NGBK und der Kunstraum Kreuzberg im Bethanien In anderen Worten, ein Schwarzmarkt der Übersetzungen mit Arbeiten von 44 teils in Berlin lebenden internationalen Künstler_innen. Sie thematisieren kulturelle Isolation und Sprache als Herrschaftsinstrument, die sichtbaren und weniger sichtbaren Dimensionen der Vermittlung von sprach- und kulturübergreifenden Botschaften. Dabei macht die Vielfalt der gewählten Medien den performativen Reiz der Schau aus, die sich selbst wiederum im spezifischen Umfeld von Berlin-Kreuzberg als Bühne multikulturell gelebter Begegnung verortet. Den Kurator_innen geht es um Sprache – und Übersetzung – mit Blick auf Dominanz und „Minderheiten“ ebenso wie als schlicht hingenommene Gewohnheit (James Webb, Know Thy Worth), als stilprägende Microsoft-Ikone (Detanico Lain, New Roman Times), als Pseudoidentität (Graciela Guerrero Weisson, Karaoke) oder professionelle Konfusion, deren Zweck darin liegt, Klarheit zu schaffen (Christoph Keller, Interpreters, und Ofir Feldman, WordBank). 7500 Steine, die Paolo W. Tamburella für World Languages im Raum auslegt, stehen für alle lebenden Sprachen, die jeweils für sich existieren, und doch Berührungspunkte haben. Sie kontrastieren mit Miguel Monroys Installation Equivalente – Belege aus Wechselstuben, in denen der Künstler so lange Pesos gegen Euros tauschte, bis die Provision, die dafür zu zahlen war, sein Geld aufzehrt.

Doch Sprache ist mehr als Worte, wie Maria Teresa Sartori in The Sound of Language akustisch belegt: Elf Enzyklopädien und Kopfhörer vermitteln den Klang verschiedener Sprachen, ohne dass man die Worte entschlüsseln könnte.

Im Verweis auf die Produktion neuer Sprachen und neues Schreiben inszeniert In anderen Worten Sprache schließlich auch als subversiven Gegenpol zum Bestehenden oder Gesehenen. Das scheinbar Simple – automatisiertes, maschinengeneriertes Schreiben oder Übersetzungen made by Google – erweist sich in Demian Schopfs Máquina Cóndor und Lorenzo Scotto Di Luzios Babbling Google als sinnlos. Der Übersetzer wird zum Retter (toter Sprachen), der er allein kann sie noch verstehen. Und so widmet Braco Dimitrijevic (1994) ihm ein Tafelbild aus Lettern: „Es lebte einst ein Übersetzer, der keine Fremdsprache beherrschte. … Er übersetzte nicht von einer Sprache in eine andere, sondern von einer in eine andere Zeit.“

Zu dieser inspirierenden Schau erschien ein zweisprachiger Katalog (deutsch/englisch). Mehr unter: www.ngbk.de.

 

 

18. Februar 2012 00:19:48

… ein Entwurf: Anna Huber und Yves Netzhammer – Aufräumarbeiten im Wasserfall

Geometrie, Orthogonalität, Radien, Gelenkverkettungen in großer Präzision, Quadrate, Kugeln, Flächen, Räume.
Alles ist mit grundlegenden 3D Körpern bespielt, alles hat seine Ordnung, scheint in Ordnung. Kitschige Projektionen machen den Anfang: Eine große Sonne über einer heilen Welt – Kraniche fliegen über Berge, Dörfer, Einfamilienhäuser. Aber es ist eine kalte Konzeptwelt des Scheins, in der keine echten Menschen leben, sondern Gliederpuppen eingesetzt wurden, überwacht von Hubschraubern, umstellt von Gerüsten und Zäunen, die die Kulissen zusammenhalten. Hier ist nichts gewachsen, sondern alles gemacht und manches dabei nichts geworden. Diese Welt muss im Detail nachgearbeitet werden, mit riesigen Zahnbürsten geschrubbt werden, als wäre ihr Schöpfer unzufrieden mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge. Und dann plötzlich ist da in mitten der Kunstwelt-Projektion ein Schatten von etwas Lebendigem, ein Mensch dringt darin ein, oder taucht vielmehr aus ihr auf, tritt in Kontakt und in den Dialog mit einer der Gliederpuppen. Diese zeigt voller Übermut gleich ein Kunststückchen, lässt ein paar ihrer Gliedmaßen fernab ihres Körpers durch den Raum tanzen, und doch ist gleich zu spüren, dass die echte Lebendigkeit der Tänzerin so viel mehr zu bieten hat. Die Tänzerin übernimmt nun die Eckigkeit der Gliederpuppe erkundet den Konzeptraum, als wolle sie ihn vermessen und austesten. Es wird eine Art Belastungsprobe für Mensch und Material, die so anstrengend ist, dass die lebende Tanzpuppe zwischendurch doch ganz aus der Rolle fällt, Pause machen muss, um sich um die körperlichen Bedürfnisse zu kümmern. Sie muss essen, trinken und darf dabei ganz Mensch sein. Die 3D-Puppe sieht in einer Mischung aus Irritiertheit und Neid dabei zu. Letztlich verliert die menschliche Tänzerin auch die Nerven, rafft die gesamte Geometrie der Bühneninstallation zusammen und gibt der Gliederpuppe den ganzen Konzeptmüll wie ein getragenes Kleid zur Wäsche zurück.

Die Zusammenarbeit der Tänzerin und Choreografin Anna Huber und des Bildenden Künstlers Yves Netzhammer erwies sich als sehr ergänzend und ungemein fruchtbar. Beide künstlerischen Handschriften sind deutlich und unverfälscht sichtbar und wirken zusammen gegenseitig erhellend. Das Tanzstück „Aufräumarbeiten im Wasserfall“ ist eine intensive Performance auf der Schnittstelle zwischen darstellender und bildender Kunst, mit reichlich Zitaten aus der Kunstgeschichte. Für Momente scheinen Oskar Schlemmers Figurinen, Luise Bourgeois Spinnen und Alexander Calders Kinetische Objekte mit in dieser verdrehten M. C. Escher-Welt zu sein, doch die formale Sprache der beiden Zeit- und Eidgenössischen Künstler ist immer stark genug, um die Performance zu einem eigenständigen Ästhetischen Erlebnis zu machen.

Sehenswert: in den Uferstudios im Wedding

 

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16. Januar 2012 13:37:50

… Ort der Umwandlung: Sarrazins Buch wird abgeschafft

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Das in voller Gesellschaftsbreite durchdiskutierte und trotzdem wenig gelesene Buch (auch von mir nicht) von Thilo Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“ ist inzwischen das meiste verkaufte Sachbuch eines deutschen Autors in der Nachkriegszeit. Rund 1,3 Millionen Exemplare haben es in die deutschen Buchregale geschafft, wo sie nun vermutlich neben anderen ungemein sachdienlichen Büchern von Hans-Olaf Henkel oder Karl Theodor zu Guttenberg stehen. Weil derartige Belastungskörper natürlich besser schnellst möglich anderen Nutzungen als der allgemeinen Volksverblödung zugeführt werden sollten, hat nun anlässlich der kommenden siebten Berlin Biennale der tschechische Künstler Martin Zet die Buchsammel-Aktion „Deutschland schafft es ab“ gestartet, deren Ziel es ist, möglichst viele der Sarrazinischen Schriften zusammenzubringen, um sich so davon zu entledigen. Die Berlin Biennale wird in dieser Angelegenheit organisatorisch unterstützend tätig und wird deutschlandweit den Büchertransport übernehmen.

Die Aktion wurde am 12. Januar veröffentlicht und bereits jetzt gibt es einen erwartungsgemäßen Aufschrei von Menschen, die eine zentrale, politisch motivierte Büchervernichtung erwarten. Das seien „Nazimethoden“ ist als einhellige Meinung zu hören und alle befürchten eine Bücherverbrennung, als könnte ein zeitgenössischer Künstler keine kreativere Strategie entwickeln, als alle Bücher auf einen Haufen zu werfen und ein bisschen mit dem Feuer zu spielen.

Ich finde die Aktion sehr spannend, gerade weil die politischen Lager so wunderbar aufgemischt werden:
Heftige Sarrazingegner werden zu Gegnern einer Gegen-Sarrazin-Aktion. Sarrazinbefürworter, die vermutlich auch schon mal den Koran einer organisierten Verbrennung zuführen würden (böses Vorurteil!), dürfen sich als Opfer einer politischen Säuberungsaktion begreifen. Und die ganze Aufregung schon im Vorfeld, bevor überhaupt irgendjemand weiß, was aus den hoffentlich vielen Büchern entstehen wird, die Martin Zet einsammeln kann. Vielleicht baut der Künstler ja ein Haus der Verständigung daraus, oder er lässt sie in einem Meer der Tränen schwimmen – wer weiß …

Die Berlin Biennale hat jedenfalls schon drei Tage nach der Erstveröffentlichung der Aktion folgende Klarstellung verbreitet:
„Martin Zet ruft Personen, die sich aus unterschiedlichsten Gründen von dem Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin trennen möchten, auf, es einer künstlerischen Aktion zu spenden. Entstehen soll eine Installation, deren Größe und Ausdruck abhängig ist von der Anzahl der gespendeten Bücher. Während der 7. Berlin Biennale für zeitgenössischen Kunst wird Martin Zet gemeinsam mit dem Publikum an der Frage arbeiten, welchem Zweck die Bücher anschließend zugeführt werden. Das Kunstprojekt hat nicht eine Büchervernichtung zum Ziel, sondern der Künstler verbindet mit der Spende und der Transformation der Bücher einen Akt des Widerstandes gegen den anti-migrantischen und polarisierenden Inhalt des Buches mit künstlerischen Mitteln.“

Das ist leider enttäuschend: Muss wirklich das Publikum in einer Basisdiskussion über den Verbleib der Bücher entscheiden? Warum dieses Einknicken? Ich wünschte mir stattdessen einen wirklich selbstbestimmten, künstlerischen Akt. Martin Zet soll einfach bestimmen, was mit den Büchern zu passieren hat und dann auch persönlich dafür grade stehen. Aber wie es aussieht wird man an einem kleindiskutierterten Konsens mit womöglich paritätischer Aufteilung nicht vorbeikommen. Doch dafür hätte ich natürlich auch gleich eine Lösung parrat: 98 % der Bücher werden dem Wertstoff-Recycling zugeführt und der Erlös dafür einer Vielzahl von Organisationen zur Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund gespendet (ein Bewerbungsverfahren für die Organisationen kann unverzüglich eingeleitet werden) und 2 % dürfen von einer radikalen Minderheit öffentlich und fröhlich verbrannt werden.

Übrigens: Das private und einzelne Buchverbrennen ist im Gegensatz zur politisch motivierten, öffentlichen Autodafé ein Akt der inneren Reinigung und im Falle der Verbrennung im heimischen Ofen auch noch eine relativ nützliche Angelegenheit, sofern es im Winter geschieht. Das kann ich aus eigener Erfahrung sehr empfehlen.
Die reguläre und täglich praktizierte Art des massenhaften Bücher-Recylings ist hingegen ein sehr unterkühltes Verfahren: kleinhäckseln, einweichen, vermengen und zu minderwertigem Papier verarbeiten. Mit solchem kann man sich dann entweder den Hintern abwischen oder Paperback-Auflagen drucken. Ob es zwischen diesen möglichen Nutzungen eine moralische Wertigkeit gibt, sein dahingestellt.

 

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19. Oktober 2011 18:42:43

… im Vorübergehen: Das Elend der Welt

Ja, die Menschen bleiben stehen; manche schauen mit erstarrten Gesichtern auf die Fotos, andere kauen weiter an ihrem Döner. Hier legt der Mann seiner Frau die Hand auf die Schulter, dort kichern Mädchen über irgendein fotografisches Detail. WORLD PRESS PHOTO 11 zeigt im Bahnhof Friedrichstraße ausgewählte und mit Preisen ausgezeichnete Fotografien über uns und unser Elend.

Die Foto-Auswahl würde ich so kategorisieren – Tierwelt, Mensch und Natur, Sport, Mensch und Politik. Was auch immer für diese Wanderausstellung ausgewählt wurde, ergibt es doch ein überwiegend trauriges, zweifelndes und pessimistisches Bild. Selbst bei den Sportfotos, wie den Aufnahmen von Chris Keulen über das, in unwirtlicher Gegend stattfindende, Eritrea-Radrennen, sieht man zwar die große Begeisterung der Einheimischen und das Nebeneinander von Tradition und Moderne, aber man ahnt auch, wohin alles einmal führen wird.

Die Ohnmacht des Menschen gegenüber der Natur und dem Wüten der Elemente nimmt in dieser Ausstellung breiten Raum ein. Da sind z. B. die Arbeiten von Kemal Jufri über den Vulkan-Ausbruch auf Java, die jene von der Katastrophe getöteten Menschen als ascheüberzogene, plötzlich erstarrte Figuren zeigen, die wie Plastiken eins werden mit dem Gestein um sie herum. Man mag es nicht aussprechen, aber hier gebärt sogar der Tod Schönheit. Ein weiteres Beispiel sind die apokalypsehaften Fotos von Olivier Laban-Mattei und Daniel Morel über das Erdbeben in Haiti, dass uns Mitteleuropäern keinen Vergleich mit dem erlaubt, was wir hier an Naturkatastrophen schon erlebt haben.

Besonders trostlos sind die Aufnahmen, in denen es um das Wirken des Menschen gegenüber seinesgleichen geht. Beim Betrachten der Fotos von Fernando Brito, der in Mexiko die Opfer von Bandenkriegen zwischen den Drogenkartellen festhielt – Tote liegen wie vergessene Feldsteine in der Landschaft – kommen einem die einfachen Worte Menschenrecht und -würde in den Sinn.

Abschließend sei auf zwei, bemerkenswerte und dennoch unterschiedliche, Aufnahmen verwiesen. Einmal das Foto von Vincent Yu, dass den nordkoreanischen Staatschef mit seinem jüngsten Sohn in der Öffentlichkeit zeigt. Hier ist, abseits alles Politischen, ein Foto gelungen, dass den Vater mit Verschlossenheit, Misstrauen und sogar Trauer auf seinen hochmütigen Sohn blicken lässt. Und schließlich nenne ich noch das bekannte, geradezu hypnotisierende Foto von Gustavo Cuevas, der den Moment des Kampfes festhält, als der Stier dem Matador das Gehörn durch den Kopf schlägt.

Die Ausstellung ist noch bis 24.10.11 im Bahnhof-Friedrichstraße zu sehen.

 

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3. Oktober 2011 09:48:50

… ein Ereignis: „Das weiße Band“ *

Der Film „Das weiße Band“ lief im Januar 2010 in den Berliner Kinos und wurde seither auch im Fernsehen gezeigt.

Die Handlung spielt in einem norddeutschen Dorf in den Jahren unmittelbar vor dem 1. Weltkrieg. Hauptfiguren in dieser beinahe archaischen Umgebung sind ein überaus sitten- und glaubensstrenger, evangelischer Pastor mitsamt seiner großen Familie; ein Hausarzt, dem die Frau gestorben ist und der nun mit der Hebamme, die ihm das Haus besorgt, zusammenlebt; ein Baron, der als Gutsbesitzer Herr über alles und jeden ist und ein junger Lehrer, der versucht, in der dörflichen Mischung aus Dumpfheit, Elend, Neid, Intoleranz, Gnadenlosigkeit und sehr bescheidenen Freuden zu bestehen.

Der Film von Michael Haneke bietet eine Reihe hochkarätiger, schauspielerischer Leistungen, eine ruhige und sorgfältige Kamera, einen Erzähler, der den Zuschauern den Ablauf des Geschehens in einer einfachen, wie klaren Sprache ergänzt und verbindet dies alles zu einem künstlerischen Ereignis, wie man es nur selten auf der Leinwand erleben kann. Der Streifen – in schwarz/weiß gedreht – ist spannender als ein Kriminalfilm und in vielen Einstellungen präzise wie ein Kammerspiel. Insbesondere dann, wenn die Kamera dicht am Schauspieler agiert, gelingen beeindruckende Szenen, wie zwischen Dorfarzt und seiner Haushälterin (Hebamme) oder der Besuch des Lehrers bei den Eltern seiner Freundin.

Das Wunderbarste an diesem Film ist jedoch das Spiel der Kinder, die hier in großer Zahl das familiäre, schulische und dörfliche Leben dieser Zeit nachempfindbar machen. Manche Szenen, wie das Verhör eines Mädchens durch die Polizei oder wie der „Herr Vater“ von seinem jüngsten Sohn einen Vogel geschenkt bekommt, vergisst man nicht so schnell. Wer es auch schaffte, die Kinder (fünf bis sechzehn Jahre) zu diesem Spiel vor der Kamera zu inspirieren, dem ist etwas Großes gelungen.

Wir erleben mit diesem Film ein Kunstwerk herausragender Qualität! Wer möchte, heute abend 20:15 in der ARD erstmals oder nochmal.

* Dieser Text erschien, hier nur leicht verändert bzw. aktualisiert, bereits am 21.1.2010 im Hauptstadtblog.

 

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Kategorie:

Alltägliches | Geschichte | Kino | Kunst

 

3. September 2011 12:15:34

… local: Hero – Fotoausstellung der Bildagentur ShotShop

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Das Zögern des Helden: „Soll ich es wirklich angehen?“

Es ist eine Heldenaufgabe, diese Ausstellung zu betrachten. Über 11 Stationen begibt man sich von einem Zustand des Heldendaseins zum nächsten, von der Ruhe (CALM) vor dem Ruf (CALL) des Abenteuers, und dem Zögern (REFUSAL) vor dem Aufbruch (DEPARTURE), stellt man sich nach dem Überschreiten des Punktes, an dem es kein zurück mehr gibt (CROSSING), der Herausforderung (Contest), nach deren siegreichem Bestreiten man belohnt wird (REWARD) und zurückkommt (RETURNING), um nun in Form einer Geschichte als Kern einer Saga wiedergeboren zu werden (RESURRECTION), wodurch man die Unsterblichkeit erlangt (TRANSFORMATION).

Zu diesem Schnellabriss einer Heldengeschichte sind Bildgruppen assoziativ zusammengestellt, mit denen die jeweilige Begrifflichkeit ganz unterschiedlich visuell bespielt und ausgeweitet werden. Die hier zu sehenden „lokalen Helden“ brauchen weder Superkräfte noch Kostüme und stellen sich dennoch im richtigen Augenblick ihrer Aufgabe und Bestimmung.

„LOCAL: HERO“ ist die Jubiläumsausstellung zum 5-jährigen Bestehen der Bildagentur ShotShop, die im Tagesgeschäft als MidStockAgentur fest in der Werbewelt verankert ist. Mit der schlüssig kuratierten Zusammenstellung (48 Bilder, 24 Fotografen, viele aus Berlin) bewegen sich die Macher aber bewusst aus dem normalen Kontext der Hochglanzmagazine mit ihren stereotypen Klischeebildern heraus. Hier werden spontane, persönliche und geradezu antiwerbliche Bilder gezeigt, wodurch die Frage nach der Wertigkeit der Fotografien aufgeworfen wird. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die gleichen Fotografen mit ihrem echten Namen Fotos über Galerien im Kunstmarkt verkaufen (wenn es gut läuft zu Preisen im vierstelligen Bereich) und über Pseudonym im StockMarkt anbieten (dann zu Preisen im ein- bis zweistelligen Bereich). Die Bilder dieser Ausstellung fragen laut „warum?“. Warum ist das eine Bild nur 30 Euro wert und ein anderes vom gleichen Fotografen, vielleicht sogar aus der gleichen Serie, 3000? Jedenfalls halten alle ausgestellten Arbeiten der Herausforderung stand, sich im Rahmen dieser „Fotokunst“-Ausstellung zu behaupten.

Esmod Haus, Görlitzer Straße 51, Berlin-Kreuzberg
Öffnungszeiten:
03.-04. September 2011, 16-22 Uhr
09.-11. September 2011, 16-22 Uhr

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Kurator Stephan Krömer bei der Führung durch die Ausstellung
 

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25. August 2011 13:47:26

… Augenblicke: Junge Frauen und Botticelli

Heute früh stand vor dem großen Schaufenster des Zeitungskiosk auf dem Bahnhof Friedrichstraße eine Frau, die das dort ausliegende Buch „Die Entdeckung der Frauen in der Renaissance“ von Thomas Blisniewski fotografierte. Auf meine Frage, warum sie das tue, antwortete sie, dass der Autor gerade im Ausland sei und sie ihm das Foto mailen wolle.

Das „Profilbildnis einer jungen Frau“ von Sandro Botticelli (1445-1510) gemalt, welches jenes Buchcover schmückt, ist in der Ausstellung im Bodemuseum zu sehen, die heute unter dem Titel „Gesichter der Renaissance“ (bis 20.11.11) beginnt. Botticelli, der Maler, der u.a. die geheimnisvolle Bilderreihe „Geschichte des Nastagio degli Onesti“ – die im Madrider Prado hängt – und das berühmte „Die Geburt der Venus“ geschaffen hat, zeigt uns mit der schönen Frau aus dem Profilbildnis ein selbstbewusstes, kluges und erstaunlich heutiges Gesicht. Auch die komplizierte und wunderschöne Haarpracht ist von dieser Welt und so ähnlich ja manchmal auch im Alltag zu sehen. Auffallend ist die verblüffende Ähnlichkeit der Gesichtszüge der Frau im Profilbildnis und der Venus. Dass die Schöne somit nicht nur ein Modell, sondern für Botticelli vielleicht sehr viel mehr war, lässt sich erahnen und – zumindest aus männlicher Sicht – leicht nachvollziehen. Möglicherweise ist dieses ansprechende Antlitz aber auch eine konstruierte und modellierte Idealschönheit, wie sie zuweilen ja auch der Büste jener altägyptischen Nofretete zugesprochen wird, die heute Berlins edelstes und bekanntestes Frauengesicht darstellt.

Die Frau vom Zeitungskiosk und ich unterhielten uns noch ein kleines Weilchen darüber, was etwas plötzlich oder nach längerer Zeit zu Kunst werden und manches davon die Jahrhunderte überdauern lässt. Sicher ist, dass nicht jeder Künstler zu Lebzeiten die Anerkennung und vielleicht sogar den Ruhm erntet, die zu späteren Zeiten auf sein Werk fallen. Andererseits ist mancher, der in seiner Zeit als Großer bezeichnet wurde, in den Augen der Heutigen ein Nichts. Wer und was aber entscheidet und erhebt solche Bilder in den Stand der Kunst oder sogar Zeitlosigkeit? Dass viele das auch bei dieser neuen Ausstellung in Berlin selbst herausfinden wollen, zeigt die bereits heute Morgen entstandene, lange Schlange am Ticketschalter.

 

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15. August 2011 14:50:27

der Junge, der eigentlich nicht Samir heißt

Mit einer Lesung und einem kleinen charmanten Konzert von Tex wurde letzten Samstag die Ausstellung „Schiefe Bahn“ von Florian Bayer eröffnet. Zusammen mit Oliver Kugler und dessen Projekt „A Tea in Iran“ bespielt der junge Illustrator, der sein Studio in Kreuzberg betreibt, die Räumlichkeiten der Neonchocolate Gallery im Prenzlauer Berg.

In die Öffentlichkeit getreten ist Florian Bayer bisher schon u. a. mit dem Buch „Selbsthändig“, das im Stiebner Verlag erschienen ist und mit seinem ongoing Projekt „Shake Your Tree“, einer Magazinreihe in der Kreative ihre kritische Sicht auf ihr Umfeld in Form unterschiedlichster Medien publizieren können.

Mit „Schiefe Bahn“ gibt er nun einen Einblick in den Alltag junger Drogendealer, die ihren Hauptumschlagplatz in der U8 finden. Jeder, der schon einmal mit dieser U-Bahn-Linie, die vom hohen Norden Weddings ins tiefe Neukölln pendelt, gefahren ist, kennt das Schauspiel der jungen Männer, die sich so schnell in alle Richtungen verstreuen, sobald die Polizei mit ihren Schäferhunden die Treppen herunter marschiert.

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Sollte man eigentlich schockiert sein, über die Szenarien der jungen Dealer, die nach Deutschland geschleust werden, weil sie zu jung sind, um vor Gericht gebracht zu werden, so haben sie sich doch ins Stadtbild integriert und werden von den Zuschauern toleriert und von der Politik machtlos hingenommen.

Erschienen sind die Illustrationen in der Neon, begleitend zu dem gleichnamigen Text von Patrick Bauer. Florian Bayer, der zur Zeit an der FH Würzburg als Dozent Illustration lehrt, wurde dafür mit dem LeadAward 2011 in Bronze ausgezeichnet.

Die Ausstellung läuft noch bis 18. August in der Neonchocolate Gallery, Lychener Str. 23.

 

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8. Juli 2011 19:23:37

… bein dran: Zwei Künstler viele Extremitäten


Tension Watercolour Series

Weil ich mir ein 8 ins Hinterrad meines Farrads gefahren habe, ging ich heute mal zu Fuß die Köpenicker Straße entlang, nachdem ich das Rad beim Fahrradladen zur Reparatur aufgegeben habe. In der dort angesiedelten Galerie ZERO sind gerade Arbeiten von Timothy Kebdall Edser ausgestellt, der sich (wie schon so viele vor ihm) mit dem eigenen künstlerischen Körper, seinen Reglementierungen, Abhängigkeiten und Begrenztheiten auseinandersetzt. Irgendwie bin ich seither auf dem Anatomie-Trip, den seine Arbeit erinnerte mich sofort an die extremitätisch verschlungenen Street Art oder Graffiti-Werke von IRGH.

Um das abzurunden fehlt eigentlich nur noch der Dry Bones Song 😉

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Was für ein Durcheinander!

 

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8. Juli 2011 13:57:42

… danach: »Last Shelter of God« – Tobias Köbsch in der neuen maerzgalerie Berlin

Tal, Tobias Köbsch
Tal, Tobias Köbsch

Es sind archeologische Stücke aus der Zukunft. Wie werden die Wissenschaftler der Zukunft unsere heutige Zeit der modernen Zivilisationen in den Sedimentschichten der Äonen erkennen? Ganz klar: Am Zivilisationsmüll und an der selbstherbeigeführten Katastrophe.

Die Bilder und Plastiken von Tobias Köbsch zeigen die Welt danach – nach dem Zusammenbruch, nach dem Eintreten des Unwahrscheinlichen. Man sieht buchstäblich zerrissene Welten, mit tiefen Spalten ins Bodenlose. Zerstörte und verlassene Häuser, um die niemand mehr trauert, denn die Zeit des Menschen ist bereits vorbei. Diese Welt ist menschenleer und doch vollkommen menschlich geprägt. Die Hinterlassenschaften von ins Inhumane umgeschlagener menschlicher Gestaltungssucht (verschrottete Parkplätze, verschlammte Reihenhaussiedlungen, abgestorbener monokultureller Wald) liegen überflutet und zerrüttet vor uns. Das Merkwürdigste daran ist vielleicht, die beruhigende Ausstrahlung dieser Zeugnisse des bereits hinter uns liegenden Untergangs. Die Werke simulieren dem Betrachter, das Schlimmste überlebt zu haben, denn sonst (im Nicht-Sein) könnte er diese Welt ja nicht mehr sinnlich begreifen.

07.07. – 27.08. 2011 in der mærzgalerie Berlin

 

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