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15. November 2011 19:32:59

… seltene Momente: Klassentreffen

Das Abitur liegt viele Jahre zurück, nun kam ein Jubiläum. Treffen im Audi Max. Die Lehrer sitzen auf der Bühne, die Schülerjahrgänge ihnen zu Füßen. Jeder der einstmals Lehrenden erzählt etwas über seine Zeit mit uns, nach uns. Offen berichten sie, einige so ehrlich, dass ich betroffen bin. Denn: Manchmal waren sie Leuchttürme für uns und dann doch selbst Schiffe in Not.

Mit einem von ihnen, nicht viel älter als wir, auch Klassenlehrer, sitzen wir anschließend zusammen. Die Zeit hat die einst noch sichtbaren Altersunterschiede beinahe nivelliert, geglättet wie ein gebügeltes Hemd. So duzt man sich nun und hört trotzdem mit Achtung zu. Er erzählt – mit einem Selbstvorwurf – von einem unserer Mitschüler, dem er mal eine innige Bitte und gute Idee abgeschlagen hat, was ihn heute noch beschäftigt. – Nein, es sind nicht alle gekommen. Einige von den Fernbleibern hätte ich auch gern wieder gesehen. Aber unterschlagen wir nichts: In der Zwischenzeit ist den hier Versammelten ein Staat abhanden gekommen und ein neuer kam mit wuchtigen Veränderungen. Alles wurde umhergewirbelt, wie Laub im November. Aber mehr noch: Manchem ist in dieser Zeit auch eine Liebe gestorben, so wie es Tom Petty sehr lakonisch in „To Find A Friend“ besingt: „In the Middle of his life – he left his wife.“ Wobei es im Osten eher die Frauen waren, die gingen.

So wird erzählt, zugehört und in die Gesichter geschaut. Der damals Pfiffige ist genau so erfolgreich durch’s Leben gekommen. Die Lachende, Strebsame wurde zur vielfliegendenden Managerin, die hier aufmerksam zuhört. Der Ungelenke ist überraschend zum Sportler mutiert. Aus dem Vor-dem-Abitur-Abgänger ist nun ein abgeklärt wirkender Niederlassungsleiter geworden. Aber auch Unerwartetes ist erkennbar: Bei einem sieht man Bitterkeit im Gesicht, ein anderer ist offensichtlich gesundheitlich beeinträchtigt. Jeder hat seine Geschichte. Aber alle sind offen, unverstellt; horchen in gemeinsam Erlebtes hinein, einige berührt, manche sogar erstaunt über ihre Emotionen.

Die Hahnenkämpfe sind vorbei. Niemand muss sich mehr Sporen verdienen, manche haben sie vielleicht abgelegt, andere maßen ihnen nie eine Bedeutung zu. Das Leben hat Spuren hinterlassen, die Gesichter blieben jedoch neugierig; gleichen jetzt rohem, unbearbeitetem, länger gelagertem und trotzdem in sich arbeitendem Holz. Gleichmäßige Ringe, schöne Maserung, aber auch Streifen, Äste, dunkle Stellen. Ohne Farbanstrich. Ohne Lack.

 

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