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30. Juni 2010 15:29:56

… zählbar: Fraktionsspiele bei der Bundespräsidentenwahl

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Oben und unten: Ausschnitte aus der Rede Joachim Gaucks am Abend im Radialsystem.

Vor ein paar Tagen war ich bei dem Unterstützerfest für Joachim Gauck im Radialsystem. Es war ein Fest von Demokraten, die gemeinsam ein Zeichen setzen wollten, dass Deutschland ein Bundespräsidenten verdient hat, der jenseits der parteipolitischen Ränkespiele Respekt, Würde und Haltung hat und genießt. Herr Gauck wäre in diesem Sinne natürlich zweifellos ein hervorragend geeigneter Kandidat, der auf diesem Fest von vielen Künstlern mit höchst unterschiedlichen Beiträgen gefeiert wurde.

Sehr gefallen hat mir bei der Veranstaltung, dass nicht am grundsätzlichen Wahlsystem gerüttelt wurde, denn tatsächlich wäre das jetzt wieder Mal diskutierte Direktwahlverfahren für den Bundespräsidenten, eine ganz schiefe Regelung. Wir bekämen ein laut Satzung praktisch machtlosen Bundespräsidenten gestützt durch ein extrem starkes Plebiszit. Das Resultat wäre eine Art lebender Volkskummerkasten auf Präsidentialniveau. Das kann nur zu großer Frustration führen, denn entweder müsste der Präsident als Volkes Stimme permanent gegen die Regierung oppunieren, was er laut unserer Verfassung überhaupt nicht darf, oder seine Aufgabe wäre es, das Volk ruhig zu halten, indem er zwischen Politikern und Wahlvolk als Stimmungspuffer abfedert. Beides wäre für alle Seiten sehr unbefriedigend.

Den einzigen Aussetzer des Abends leistete sich Jochen Sandig (Mitbegründer des Radialsystems), der „zwanzig Jahre danach“ eine Art neue Revolution witterte und sich diebisch freute, selbst das von ihm ausgemachten Epizentrum einer Bürgerbewegung zu bilden. Genau das war es eben nicht!

Nun heute wird tatsächlich wie gehabt indirekt gewählt und im ersten Wahlgang hat Wulf gerade mal 600 Stimmen bekommen. Das heiß 44 Stimmen aus dem Koalitionslager stehen nicht hinter ihrem Kandidaten. Noch ist es eigentlich undenkbar, dass Gauck tatsächlich im dritten Wahlgang gewählt würde, denn die Linke kann und will sich nicht mit dem Kandidaten Joachim Gauck anfreunden. Sie halten den Kandidaten für unwählbar und stehen kadermäßig geschlossen hinter Lukretia Jochimsen.

Als die Kandidaten aufgestellt wurden, habe ich mich gefragt, wie ein unumstritten honoriger Mann wie Joachim Gauck eine solche Kandidatur überhaupt annehmen kann. Ich habe erwartet, dass er als Kandidat, (ebenso wie vorher Gesine Schwan) ohne viel Rauch zu machen, verbrannt würde. Doch diese Einschätzung habe ich in den letzten Wochen deutlich revidiert. Man kann feststellen, dass die Kandidatur und die breite Unterstützung in der Bevölkerung für Herrn Gauck, seine Reputation enorm gesteigert hat und fast noch wichtiger, die Kandidatur hat tatsächlich die Achtung vor dem Amt des Bundespräsidenten gestärkt, wenn nicht überhaupt erst wieder hergestellt (nach dem kläglichen Abtreten des letzten). Dies zeigt wie Amt und Person sich gegenseitig bestärken könnten, wenn die richtige Person ins Amt käme.

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Eine Reaktion

  1. Jochen Sandig

    Lieber Magnus Hengge,

    danke für Ihren ehrlichen Bericht, auch über die eigene persönliche Meinungsbildung. Die etwas verkürzte Darstellung meiner kurzen Begrüßung im Radialsystem möchte ich gerne noch ergänzen. Ich sprach nicht von einer „Revolution“, sondern vielmehr von einer wachsenden Bewegung eines politischen Engagements der Bürger – die 20 Jahre nach dem Fall der Mauer zwar reichlich spät, aber dennoch unaufhaltsam einsetzt. Es ist das erste Mal wieder ein „Wir sind das Volk“ Gefühl spürbar, das war auch an diesem Abend im Radialsystem sehr präsent und darüber habe ich mich als Mitinitator der Veranstaltung natürlich zurecht gefreut und warum sollte ich diese Freude auch verbergen? Die Bürger lassen sich nicht mehr alles gefallen, sondern setzen sich für ihre Demokratie ein. Ich habe wortwörtlich gesagt, daß diese Bundespräsidentenwahl unser Land nachhaltig verändern wird – egal wie die Wahl auch immer ausgehen wird. Und davon bin ich fest überzeugt. Wir können nur hoffen, daß Christian Wulff die Zeichen der Zeit nicht übergeht, denn es wird nicht reichen eine Elite ins Schloß Bellevue einzuladen und seinen Amtssitz in einen „Thinktank“ zu verwandeln. Viel wichtiger wird es sein, daß einzulösen, was auch Joachim Gauck formuliert hat: „Laßt uns diesen Staat zusammen machen.“ Und das sind alle Bürger gefordert. Dieser faire Wettbewerb um das Amt des Bundespräsidenten kann im besten Fall wie ein Katalysator für mehr direkte Demokratie und Pluralismus der Ideen jenseits unserer Repräsentationsdemokratie wirken.

    In diesem Sinne wünsche ich auch weiterhin viel Erfolg mit Ihrem wunderbaren Blog.

    Jochen Sandig

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