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2. Oktober 2010 19:30:43

… Realstadt: wirkliche Modelle architekonischer Wünsche

darkschlossplatz

Es war einmal eine große Halle, die war einmal ein Heizkraftwerk, war einmal ein Technoclub, ist gerade eine Ausstellung über architektonische Wünsche. Realstadt im Kraftwerk Mitte. Die gigantische Halle an der Köpenicker Straße, die bis vor kurzem vom Tresor bespielt wurde, ist ein wunderbarer Ort für diese ausufernde Show von allerlei architektonischen Modellen.

Durch die groben Betonträger und offenen Wände hat der Raum selbst die Anmutung eines zu groß geratenen Modells. Er erscheint wie die Mutter aller Modelle und der Innenraum wird zum Bauch der Architekten, in dem nun massenhaft neue Modelle unter beängstigenden Wärmelampen ausgebrütet werden. Besucher haben nun quasi endoskopischen Zugang und können die vielen architektonischen Kopfgeburten modellhaft erleben. Die Bandbreite der Projekte aus ganz Deutschland könnte dabei kaum größer sein: Von Detail-Modellen, die zum Selbstzweck entstanden sind (z.B. ein Modell bzw. Nachbau von Jens Reinert eines existierenden Treppenhauses, das die Frage aufwirft, wozu um Himmelswillen nur ein Modell davon gebaut wurde), über den Normalfall der Entwurfsvisualisierungen, wahlweise von Einfamilienhäuser oder ganzen Städten, bis hin zu düsteren Scienc Fiction Visionen des inszenierten Stadtzerfalls ist hier alles in echten gebauten 3D-Modellen zu betrachten. Die Modelle, Ideen und Projekte stammen aus den letzten Jahrzehnten von ganz aktuell bis zurückgehend in die 80er Jahre.An einem Modell von Berlin Mitte zur Endphase der DDR (ca. 1988 einschließlich der noch geplanten Repräsentationsbauten) zeigte mir eine Freundin die räumlichen Zusammenhänge ihrer ganzen Kindheit. Damals in einem Hochhaus in der Leipziger Straße wohnend, konnte sie nicht nur auf ihren eigenen Balkon zeigen, sondern auch auf ihren Kindergarten, alle möglichen Geschäfte, die Arbeitsplätze ihrer Eltern, die Wohnungen ihrer Freunde usw. Sie beschrieb den Anblick des Gandarmenmarkts, als noch die Bäume aus den beiden Dombauten ragten, erzählte von den Jugenderlebnissen in der Grünanlage, auf der heute die innenstädtischen Twonhouses stehen. Dabei zeigte sich exemplarisch die enorme Qualität des Modellhaften, nämlich die offene Zugänglichkeit der Welt im Kleinen. Durch die eigenen Bewegung im Modellraum, hat man den Eindruck selbst im Modell leben zu können. Wie eine riesenhafte Göttin der Erinnerung (Erinnerung ist ja auch nur eine modellhafte Konstruktion) sprang sie von Ort zu Ort zwischen den Erlebnissen ihrer DDR-Modell-Kindheit herum „da war ich …, und hier bin ich …, da drüben bekam ich immer … “ Ich hatte den Eindruck im peniblen Plaste-Modell ist ihre Jugend noch heute lebendig.

In der Regel werden Architektur Modelle natürlich nicht zur Rückschau, sondern zur Visualisierung der Zukunft verwendet und damit zum Abbild der gestalterischen Wünsche. Wir können uns mit Modellen nicht nur in die Wünsche von anderen Menschen hineindenken, sondern können uns der Illusion hingeben, tatsächlich darin herumzulaufen. Ein Modell ist nicht nur eine Visualisierung einer Vision, sondern wir meinen die Utopie wirklich zu erleben.

Realstadt – Wünsche als Wirklichkeit ist eine großartige Ausstellung, die zum Glück auch relativ lange zugänglich bleibt. Bis zum bis 28. November 2010 im Kraftwerk Mitte, Berlin.

 

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