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15. Februar 2014 15:34:47

… zerschnitten: ACORN – A Tribute To Yoko Ono mit Performance von Lars Eidinger

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In der Ausstellung und Kunstaktion „ACORN – A Tribute to Yoko Ono“, die gestern Abend vom Projektraum Espace Surpus in der Wallstraße 85 veranstaltet wurde, versammelten sich einige Berliner Künstler/innen, um der großen Dame der Performancekunst eine Hommage zu bereiten. Denn es hat sich rumgesprochen, dass Yoko Ono eine der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts ist. Viele Künstler/innen fühlen sich inspiriert von ihren oft aus Handlungsanweisungen bestehenden Werken, die die Chance eröffnen, die Welt anders zu erfahren, wenn man tut, wie Yoko es vorschlägt. Es sind Arbeiten mit einer gewissen Nähe zur heutigen Kunsttherapie, die Techniken der paradoxen Intervention und des Reframings einsetzt. Nicht zufällig befruchtet Yoko Onos Denken auch besonders solche Künstler/innen, die das Gefühl haben, die Welt verbessern zu müssen/können. „Zieh deine Hose aus bevor du tanzt“ rät Yoko, Peaches macht es nebst Slow Motion-Video-Dokumentation und das Publikum schaut sich das Filmchen dann an. Wenn es Menschen hilft, mehr sie selbst zu werden, ist das wunderbar – ob das Video spannend ist, ist eine andere Frage.

Schiebt sich hingegen kein weiterer künstlerischer Wille zwischen Yoko Onos Idee und die performative Umsetzung, dann ist plötzlich spürbar, warum Yoko Onos Werk so großer Stellenwert in der Kunstgeschichte zugeschrieben wird. Lars Eidinger, Schauspieler-Star der Schaubühne, bringt Yoko Onos Performance-Klassiker „Cut Piece“ (von 1965) in den Raum – genau so wie sie es selbst einst getan hat. Die Handlungsanweisung ist: „Jede/r im Publikum darf, mit der zur Verfügung gestellten Schere, ein Stück aus der Kleidung des Künstlers schneiden. Immer eine/r nach der/dem anderen.“
Sofort geht der gierige Run los, alle wollen schnell ein Stück an sich reißen, wollen Teil der Kunst werden, wollen den Spirit spüren und vergrößern, wollen etwas haben vom Star. Zunächst ist es ein Spiel mit der Idee des Talisman oder des Fetisch – so wie früher die Menschen eine Locke ihre-r/s geliebten Partner-s/in mitnahmen, wenn sie sich für länger trennen mussten. Vielleicht fragt man sich im Inneren, warum mach ich da eigentlich mit, welcher Trieb bringt mich dazu, einen Fetisch besitzen zu wollen?
Und schnell verändert sich die Situation: Je mehr die Kleidung des Performers zerfleddert wird, je mehr die Nacktheit des entblößten Menschen hervor tritt, desto mehr Voyeurismus macht sich breit, mehr Fotos und Videos werden gemacht und man hört das Getuschel: „Sieht man schon seinen Bauchnabel?“ „Der hat ja auch ein bisschen Wampe.“ „Wer traut sich die Hose aufzuschneiden?“ „Warum machen eigentlich nur Frauen mit?“ „Mal sehen wie weit es geht?“.
Zwischendurch beschleunigt sich die Performance, große Stücke werden eingepackt, und dann, als es an die Unterwäsche geht, wird es plötzlich ganz leise im Raum, die Handlungen kommen allmählich zum Erliegen und im Gegenzug werden die Gedanken angetrieben: „Was haben wir da nur getan?“ „Wir haben diesen Menschen aus unserer Gemeinschaft vertrieben und ihn geschändet.“ „Warum machen wir eigentlich, wie uns gesagt wurde?“ „Warum hilft ihm denn niemand?“
Erleichterung macht sich breit, als Lars Eidinger erkennt, dass wohl nichts weiter passieren wird, und er beschließt die Performance zu beenden. Applaus. „Wen beklatschen wir da eigentlich?“ „Uns in unserer Durchtriebenheit?“ „Lars Eidinger für seinen Mut?“

Der Applaus gilt Yoko Ono, dafür, dass sie uns mal wieder die Augen geöffnet hat – ganz ohne irgendetwas zu erklären und ohne Didaktik – im emotionalen Erleben, das den Geist befeuert.

Die übrigen Arbeiten und Performances, bei denen sich die Künstler/innen auf Yoko Onos Einfluss berufen, lass ich nach dieser Erfahrung lieber unerwähnt.

 

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