Da ich es derzeit nur in gerigem Maße schaffe, am kulturellen Leben der Stadt teilzunehmen, und schon gar nicht mehr, darüber zu schreiben, versuche ich es mal wieder mit einem politischen Beitrag.
Horst Köhler tritt als Präsident der Bundesrepublik Deutschland zurück, weil er, wie er selbst sagt, mit seinem Amt nicht ernst genommen würde. Das ist gerade insofern erstaunlich, weil er mit einem einzigen (zugegeben sehr langen) Satz, richtig Feuer in die politische Diskussion rund um die Auslandseinsätze der Bundeswehr gebracht hat. Wenn man von anderen nicht ernst genommen wird, ist denen doch meist auch egal, was man erzählt. Das kann nicht der wahre Grund für seine Entscheidung sein.
Horst Köhler sagte: „In meiner Einschätzung sind wir insgesamt auf dem Wege, in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren – zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch negativ auf unsere Chancen zurückschlagen, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden – und ich glaube wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“ (Quelle: Bundespräsident Köhler auf dem Rückflug von Afghanistan nach Berlin gegenüber dem Deutschlandradio, 21.05.2010)
Nun wurde vielerorts mit Unverständnis reagiert, die Wortwahl wäre unglücklich, er müsse sich entschuldigen usw. Doch was soll an seiner Aussage denn falsch oder unzumutbar oder gar gefährlich sein? Tatsächlich ist doch weder neu noch geheim, dass die Bundeswehr unsere deutschen Interessen verteidigt. Jeder weiß es, dafür haben wir sie. Und vermutlich weiß auch jeder, was unsere Interessen sind. Man muss nur kurz ins Grundgesetz blicken und erkennt alsbald ein paar zentrale Zielnennungen: Rechtstaatlichkeit, Freiheit, Wohlstand unter der Prämisse der sozialen Markwirtschaft. Was die Bundeswehr verteidigt ist also natürlich auch unsere Handelsfähigkeit. Soweit alles bekannt – kein Grund für ein Rücktritt! Der Mann hätte einfach genau so weiter machen können, sein Ansehen in der Bevölkerung hätte er auf diesem Kurs eher gestärkt.
Nein, Köhler scheint zutiefst beleidigt, dass überhaupt Kritik gegenüber seinen Äußerungen aufkommt. Er sieht keinen Unterschied mehr zwischen sich und seinem Amt. Wenn eine seiner Aussagen kritisiert wird, hält er das für eine Art Hochverrat, mit dem sein Amt und damit er selbst beschädigt wird. Für ihn gibt es nur noch eine in sich geschlossene Entität: er als Mensch, seine Worte, sein Amt, die präsidialen Botschaft, sein Geist, seine Fürsorge. Er ist kurz davor, sich als gottähnlichen Präsidenten zu verstehen, bemerkt aber gerade noch beschämt, dass ihm die allgewaltige Macht fehlt, (die sich altertümliche Herrscher von Gottes Gnaden noch autosuggestiv beschaffen konnten) um die schwatzenden Nebengottheiten in den politischen Kreisen zum Schweigen zu bringen. Ihm bleibt nur der Weg der Autoaggression. Köhler legt nicht nur ein Amt nieder, und kündigt damit nichts weiter als einen Job – nein, er zerstört sich selbst. Er will den Heldentod, öffentlich, empört und schmerzerfüllt. Ich hoffe nur, er hat nicht die geheime Vorstellung, uns damit von irgendetwas zu erlösen.
Man kann nur hoffen, dass er einen guten Therapeuten findet.
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