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14. Februar 2011 23:30:31

… Berlinale Panoramablick 6: The Black Power Mixtape 1967-1975

Mixtapes sind Kult, Nostalgie, Souvenir. Als Mixtape inszeniert der Stockholmeer Journalist und Filmemacher Göran Hugo Olsson eine mitreißende Dokumentation aus Bildmaterial, das jahrzehntelang in den Archiven des schwedischen Fernsehens lagerte. In neun Kapiteln, hinterlegt mit O-Tönen wichtiger Protagonisten der Jahre 1967 – als Martin Luther King, Che Guevara, John F. Kennedy noch lebten – bis 1975, erzählt The Black Power Mixtape die Geschichte der Black Power Bewegung in den USA. Originalbilder, Reportagen, Interviews und Nachrichtenmaterial komponiert Olsson zu einer spannenden cineastischen Geschichtsstunde vom Feinsten: Angela Davis, Stokely Carmichael, Malcolm X fügen sich in ein Panorama, das weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch auf Ausgewogenheit erhebt. In Olssons Chronologie taucht ein Brooklyn der 1970er Jahre auf, das drastisch an das Nachkriegsdeutschland der 1950er erinnert. Martin Luther King hält seine letzte Rede. Bürgerrechts- und Antikriegsbewegung schwappen aus dem schwarzen Ghetto und dem Campus kalifornischer Universitäten in die Welt. 94 Minuten Hoffnung, Aufbruch, Angst, Mut. Vietnam, Rostock, Black Panther, Luis Farrakhans Nation of Islam. The History Channel für Aufgeklärte, Bewusste, Nichtvergessenwollende. Für alle, die politische Dokus lieben.

Trailer:

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Interview mit den Machern:

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13. Februar 2011 15:38:57

… Berlinale Panoramablick 5: Mama Africa

Eine Stimme zum Verlieben. Eine schöne, starke und unglaublich konsequente Frau. Ein tragisches, trauriges und zugleich viele Menschen glücklich machendes Leben. Miriam Makeba, die erste schwarze Künstlerin aus Südafrika, die internationalen Ruhm erlangte, starb im November 2008 nach einem Konzert in Italien. Mika Kaurismäki hat ihr in einer deutsch-südafrikanisch-finnischen Koproduktion ein würdiges Denkmal gesetzt. Sein neunzigminütiger Dokumentarfilm, den die Sektion Panorama der Berlinale 2011 als Weltpremiere zeigt und der für den diesjährigen Amnesty International Preis nominiert ist, erzählt die Geschichte dieser fantastischen Sängerin und Kämpferin: von den Jahren ihrer Kindheit in Südafrika, von den starken Frauenfiguren, die sie prägten, vom amerikanischen, später guineischen Exil, in dem sie seit 1959 lebte, von ihrer Zeit mit Harry Belafonte, ihren Ehen mit Hugh Masekela und Stokely Carmichael. Zeitzeugen kommen zu Wort, Makebas Lieder erklingen, Archivmaterial knüpft sich zu einer ungewöhnlichen Lebensgeschichte. Wer Miriam Makeba kennt, wird den Film lieben. Wer sie nicht kennt, wird viel über eine Ikone im noch heute aktuellen Kampf gegen Rassismus erfahren, und am Ende verstehen, warum ausgerechnet der Song, der zum Welthit wurde – Pata Pata – das Lied ist, das sie am wenigsten mochte. Mama Africa, einer meiner Favoriten im Panorama.

 
 

12. Februar 2011 12:24:49

… Berlinale Panoramablick 4: Romeos

Mal kein Problemfilm, trotz eines schwierigen Sujets: Lukas (Rick Okon) ist F-to-M, eine Frau auf dem Weg zum Mann. Die Testosteronspritzen haben ihm schon ein Bärtchen produziert, und die Muckis für den virilen Body trainiert er mit Hanteln. Dennoch lebt er im wahrsten Sinn des Wortes zwischen den Geschlechtern: als Zivi im Krankenhaus wird er im Schwesternwohnheim untergebracht, die noch nicht wegoperierten Brüste versucht er mit einer Lederjacke zu tarnen. Ausflüge ins Schwimmbad sind ebenso kritisch, wie sich anbahnende heiße Nächte in Clubs. Seine beste Freundin, Ine (Liv Lisa Fries) ist die einzige, die weiß, was mit ihm geschieht. Als wäre der Alltag noch nicht kompliziert genug, verliebt sich Lukas in den jungen Italiener Fabio (Maximilian Befort), der wiederum sein Schwulsein vor Eltern und Umwelt hinter gekonntem Machogehabe verbirgt. Verwicklungen, Gefühle, Ängste und Spaß prägen Romeos über 94 durchaus tragikomische Filmminuten mit einem witzigen und schönen Ende. Ein gelungenes Spielfilmdebüt der Münchner Regisseurin Sabine Bernardi nach mehreren preisgekrönten Dokumentar- und Kurzfilmen. Eine fantasievolle und filmisch exquisit umgesetzte Art, mit dem immer wieder aktuellen Thema der Geschlechteridentitäten umzugehen.

 
 

12. Februar 2011 00:46:44

… Berlinale Panoramablick 3: The Devil’s Double

Filmstill11 Doubles habe Fidel Castro, erzählte mir vor etlichen Jahren ein Freund in Havanna. Keiner wisse, wann er vor dem echten Numero Uno stehe. Vielleicht war das übertrieben, doch vermutlich haben alle wichtigen Herrscher ihre Doppelgänger, und wenn diese Glück haben, bleiben sie am Ende des Regimes ihrer „Herren“ am Leben und können ihre Geschichte erzählen. Wie Latif Yahia, der „Fidai“ des degenerierten, exzessiv koksenden brutalen Sohnes eines brutalen Staatschefs. Yahia schrieb ein Buch über die Zeit, in der aus dem Golfkrieg zurückgekehrte Leutnant gezwungen wird, seine Identität aufzugeben und die des gnadenlos brutalen, egoistischen Uday Hussein zu werden. Uday mordet, vergewaltigt, raubt. Sein Leben dreht sich um schicke Autos, teure Uhren, Frauen … Uday kennt weder Grenzen noch Pardon. Latif hat keine Wahl, als sich mit dem Tyrannen zu arrangieren.
Der neuseeländische Regisseur Lee Tamahori (Die another day¸The Sopranos u.a.) hat mit The Devil’s Double aus dem in zahlreiche Sprachen übersetzten Bestseller einen actionreichen Politthriller gemacht. Grandios ist Dominic Cooper in der Doppelrolle als Uday Hussein und Latif Yahia, spannend das Spiel mit der Doppelidentität: Uday wird zu seinem Vater zitiert und schickt sein Double, das auf Husseins Double (Philip Quast als Sadam Hussein und sein Fidai Faoaz) trifft. Am Ende gibt es das nur in Spielfilmen denkbare Happy End: Alle von Uday gequälten und zur Grausamkeit gezwungenen Zuarbeiter, Helfer, Offiziere … tun sich zusammen und üben Rache. Schrill und psychotisch. Im echten Leben sah das nachher anders aus. Aber wer will schon immer das echte Leben sehen, wenn er/sie ins Kino geht? The Devil’s Double ist keine politische Abrechnung mit dem Regime. Allerdings eine gut gemachte Auseinandersetzung mit dem Schrecken der Macht und menschlichen Grenzen.

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12. Februar 2011 00:37:35

… Berlinale Panoramablick 2: Qualunquemente

Alles ist möglich in Berlusconi-Land. Und so erscheint noch die absurdeste Situation in der kalabrischen Kleinstadt Marina di Sopra denkbar. Nicht zuletzt ein – nun ja, manipulierter – Wahlsieg des neuen Bürgermeisters Cetto La Qualunque (Antonio Albanese), kaum dass er nach vier Jahren „Auszeit“ in Brasilien mit einer schönen Frau, deren Namen er sich nicht merken kann und die er deshalb schlicht „Wiebitte“ (Veronica da Silva) nennt, zu seiner Frau Carmen (Lorenza Indovina) und seinem naiven Sohn Melo (Davide Giordano) zurückkehrt. Denn Gefahr droht von Giovanni de Santis (Salvatore Cantalupo), ein Bürgerrechtsaktivist, der ebenfalls Bürgermeister werden will. Mit ihm sollen Ehrlichkeit und Ordnung in die Stadt einziehen, die Bürger – und zwar alle – sollen Steuern zahlen. Schluss mit Korruption und laissez-faire. Cettos Freunde wollen sich damit nicht abfinden und heuern den „Guru“ Jerry (Sergio Rubini) an, der, unterstützt mit Schmiergeld für schmierige Journalisten und unwillige Wähler, den Heimkehrer zum Spitzenkandidaten und Sieger aufbauen soll. Mit dem Motto „Kümmer dich um deinen Scheiß“ und wirr-witzigen Kommentaren zu allem und nichts beginnt der Wahlkampf. Eine skurrile Posse des römischen Regisseurs Giulio Manfredonia (If I were you), mit viel Humor, netter Musik und schrillbunten Bildern erzählt. Die Figur des dreistdummen Frauenhelden und Geschäftsmanns Cetto La Qualunque schuf Antonio Albanese bereits 2003 für die RAI-Sendung Non c’è problema (Kein Problem). Qualunquemente (Whatsoeverly) ist ein kritisch-unterhaltsamer Kinofilm und eine mehr als sympathische Fortsetzung der TV-Serie auf großer Leinwand.

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11. Februar 2011 18:33:48

… Einfach nur: Claire, aber nicht Waldoff

Eigentlich heißt sie Bärbel, aber alle nennen sie nur Claire. Die junge Frau wurde hier geboren und berlinert etwas; kundenangepasst gleitet sie aber auch mal in’s Hochdeutsche. Ich kenne Claire schon einige Jahre. So etwa alle drei bis vier Wochen benötige ich ihre Dienste und suche dann den Friseursalon auf, in dem sie arbeitet. Die Frau beherrscht ihr Handwerk, schneidet akkurat, sehr flott und mit Leidenschaft. Nur das Waschen verläuft häufig suboptimal: Wenn ich auf ihren Stuhl klettere, habe ich mir den obersten Hemdknopf bereits geschlossen. Das hilft nur bedingt, denn Claire schafft es mit ihrer, nun ja, rustikalen Art doch immer wieder, mir Wasser in den Hemdkragen zu gießen, welches dann auch noch den Rücken besucht. Beim Haarschneiden entfaltet sich ihr Temperament in spürbarer Form. Ich sitze ja freiwillig hier, nehme also das rythmische „Batsch, batsch“ – wenn nämlich beim Wechsel von Schere zu Kamm mir letzterer an den Hals klatscht – wie ein zwar nicht angenehmes, aber unabänderliches Naturgeschehen hin. Claire wirbelt mein Haar durcheinander und wechselt ständig ihre Position, um besser angreifen zu können; denn sie ist der Feldherr und mein Kopf wird zum Schlachtfeld. Friedliche Variante: Sie ist der Dirigent, meine Haare ergeben die Partitur.

Wenn die Grobarbeit erledigt ist, folgt das Feintuning. Da nimmt sich Claire der Koteletten und Augenbrauen, ja sogar der Ohren- und Nasenhaare, nun aber mit größter Zurückhaltung und filigraner Technik an (einmal erzählte sie mir stolz, dass sie bei einem türkischen Friseurmeister das besonders sorgfältige Rasieren erlernt habe), wobei sie ja durchaus sieht, dass bei mir jedes Haar zählt. Meine regelmäßige Bemerkung, dass sie mich nicht in einen Dressman verwandeln muss, überhört sie ebenso, führt aber immer alles zu einem sehr guten Ende.

Die junge Frau verkörpert jenes handfeste, unverwöhnte, arbeitende und dennoch nicht auf Rosen gebettete Berlin, abseits vollmundiger Politiker, fern der Bio-Müsli- und Pastinakencremesuppen-Gemeinde, aber auch jenseits medienaffiner Landsleute sowie periodischer Krawallmacher verschiedenster Couleur. Claire ist eine von denen, die – meist unbeachtet – den Großstadtalltag auch im Kleinen am Laufen halten; eine heutige, moderne Variante jener Frauen, die auch von der ( zeitweisen ) Berlinerin Waldoff schon 1930 besungen und von Heinrich Zille gezeichnet wurde: Selbstbewusst, lebensklug, hart im Nehmen – wenn nötig, auch im Austeilen – und immer auf der Suche nach ein bisschen Glück. Claire ist eine gute Friseuse, aber ich weiß auch, wie verdammt wenig sie verdient. In Zukunft muss ich ohne sie auskommen. Die junge Frau hängt ihren Beruf an den Nagel und wird nochmal die Schulbank drücken. Ich wünsche ihr das Beste.

 

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Alltägliches

 

11. Februar 2011 09:03:53

… Berlinale Panoramablick 1: Tomboy

„Mikhael“, antwortet Laure (Zoé Heran), als die zehnjährige Lisa (Jeanne Disson) fragt, wie sie heiße. Laure möchte lieber Junge als Mädchen sein, und die Tatsache, dass sie mit ihren Eltern und der kleinen Schwester Jeanne (Malonn Lévana) mitten in den Sommerferien in eine neue Stadt zieht, ist ihre Chance. Lisa glaubt ihr – und verliebt sich prompt in Mikhael. Auch die anderen Kinder – Vince (Yohan Véru), Noah (Noah Véru), Cheyenne (Cheyenne Lainé) und Ryan (Ryan Boubekri) haben keine Zweifel. Obwohl das Leben als Junge nicht so simpel ist: Einfach in der Fußballspielpause am Spielfeldrand im Stehen pinkeln geht nicht, und der Besuch im Schwimmbad heißt nicht nur, den Badeanzug zerschneiden, damit er zur Badehose wird, sondern auch aus Knetgummi etwas basteln, das die Hose ausfüllt … Jeanne mit ihren großen Augen und den zauberhaften Locken kommt der großen Schwester auf die Schliche. Doch sie hält dicht. Raffiniert schlägt sie Laure einen Deal vor: sie hält die Klappe, dafür darf sie mit den „Großen“ spielen. Am Ende kommt Laures Scharade doch ans Licht. Céline Sciamma, die für ihr 2007 in Cannes präsentiertes Spielfilmdebüt Unter Wasser, über Kopf den französischen Louis Delluc Preis bekam, ist mit Tomboy ein netter Film gelungen. Ein bisschen blass vielleicht, angesichts des durchaus heiklen Themas von Geschlecht und Identität, und irgendwie am Ende ohne Alternative – Mädchen sind Mädchen, Jungs sind Jungs. Doch den mangelnden Tiefgang machen die wunderbaren KinderschauspielerInnen, die für den Film gecastet wurden, mehr als wett. 84 schöne Kinominuten also.

Kleiner Gesprächsmitschnitt:

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10. Februar 2011 17:27:01

… Berlinale. True Grit – ein Opening auch für Männer

Ein „Frauenfilm“ sei es, rechtfertigte Berlinale-Direktor Dieter Kosslick die Entscheidung, die Filmfestspiele mit einem Western zu eröffnen. Dass er die beiden Drehbuchautoren, das Erfolggespann Joel und Ethan Coen (No Country for Old Men; O Brother Where Art Thou?) gern ins ab heute bis zum 20. Februar festivalbewegte Berlin holen wollte, ist verständlich. Also True Grit, ein Frauenfilm, aber bestellt in der cineastischen Männerabteilung und, trotz einer begabten weiblichen Heldin (die 13jährige Hailee Steinfeld in der Rolle der verwöhnten aber auch mutigen Mattie Ross), beworben mit einem Plakat, das nur männliche Protagonisten kennt: Jeff Bridges (als Whiskey liebender Altersheld Rooster Cogburn), Matt Damon (als texanisches Plaudertäschchen LaBoeuf) und Josh Brolin (als tumb-brutaler Killer Tom Chaney).

„True Grit“ heißt übersetzt so viel wie „echter Schneid“ und ist damit eine originäre Ingredienz der amerikanischen Seele. Der Film – in diesem Jahr für diverse Ocars nominiert und ausdrücklich kein Remake der Produktion mit John Wayne von 1969 – basiert auf einem Fortsetzungsroman von Charles Portis, der 1968 in einer Zeitung namens Saturday Evening Post erschien. Er erzählt die Geschichte des Alpha-Girls Mattie, die loszieht, den Tod ihres Vaters zu rächen. Sie kennt den Mörder – Tom Chaney – und verfolgt ihn gemeinsam mit Marshall Cogburn und dem Texas Ranger LaBoeuf. Der Film hat, nach knapp zwei Stunden mit schönen Bildern und wildwesttauglicher Filmmusik, ein glückliches, und dann noch ein zweites indifferentes Finale. Natürlich endet die richtig gefährliche Jagd des nur unter großen Schwierigkeiten harmonisierenden Mann-Mann-Mädchen-Gespanns wie es sich für einen Hollywood-Western gehört: Die Guten siegen, die Bösen werden mit viel Knallerei erschossen. Und dann gibt es mit einem Fast-Forward von 25 Jahren noch einen Bonus-Track: Die mittlerweile erwachsene Mattie, jetzt eher verhärmt statt provozierend, und wie 59 wirkend obwohl sie rechnerisch erst 39 sein kann, erinnert sich anlässlich einer Rodeo-Roadshow in Memphis an Rooster, der aber leider gerade gestorben ist, und an LaBoeuf, von dem sie nie wieder gehört hat. Mattie ist ledig geblieben. Entweder weil sie zu selbstbewusst war, oder zu schwer, glücklich zu machen. Beides scheint möglich.

Der Eröffnungsfilm der Berlinale – wie bewertet frau ihn nun? Ein verspielter Film? Ein Film für Leute, die Abenteuer mögen und nicht so kritisch hinschauen? Ein Film, der visuell etwas Fantasy und inhaltlich auch Ironie ins Westerngenre holt? Treffende Charaktierisierungen. Es gibt auch ein paar ganz lustige Szenen und Dialoge. Und überflüssigerweise auch abgehackte Finger und andere brutale Nicht-Hingucker („Frauenfilm“?). Dann gibt es vermutlich Zuschauer, die nicht genervt sind, wenn ein Mädel, das nicht bekommt, was es sich gerade ins hübsche Köpfchen gesetzt hat, schmollt oder zickt und, wenn es denn gar nicht anders geht, ein bisschen weint. Ach so, ja: einmal nimmt sie auch die Pistole. Aber leider weiß sie nicht, was man damit so macht. Dafür kann sie Gruselgeschichten am Lagerfeuer erzählen, während der texanische Ranger traurig feststellt, dass es bei ihm zuhause nicht so viel Wasser gibt, wie in Arkansas, und der Marshall ein Seil um sein Waldbett legt, damit ihn die Schlangen nicht beißen.

Nein. Ich erwarte keinen Tiefgang von einem Western. Und da das Genre an sich ja politisch unkorrekt ist, kann ich auch damit leben, dass Mattie, weil sie schon wieder unartig ist, ganz „altmodisch“ mit dem Stock auf den Hintern eine Tracht Prügel bezieht (was die Schauspielerin, so erklärt sie in einem Interview, übrigens witzig fand). Schließlich spielt die Geschichte in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Da war das alles vermutlich so. Last but not least ist es bei Coen-Brürder-Filmen gewiss wie bei Tarantino: Man mag sie (ihn) oder eben nicht. Über all das will ich nicht schreiben. Nur noch so viel: Ich bin sicher, das Etikett Frauenfilm hat Kosslick nur in den Raum geschmissen, damit optimistisch-strahlende weibliche Schönheit mit großer Vorfreude auf einen Film ganz für sie heute Abend über den roten Teppich in den Berlinale-Palast am Potsdamer Platz strömt und die Show beginnen kann. So sei es!

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8. Februar 2011 21:00:38

… Augenblicke: Alex 8. Februar 2011

Die rötlich-gelb prahlende Nachmittagssonne tastet den Platz ab. Dabei fällt mir auf, dass die Granitplatten, mit denen es hier immer wieder Ärger gab, einen gereinigten Eindruck machen. Heute ist auf dem Alex wenig los, kein Gedrängel, kein Auflauf. Menschen tröpfeln über den Platz und der Abstand zwischen ihnen ist groß wie selten. Vor der Wohlthat’schen Buchhandlung steht eine Palette mit Büchern: Klaus Wowereit „… und das ist auch gut so. Ein Leben für die Politik“ wird für einen Euro angeboten. Der Regierende Bürgermeister zum Dumpingpreis. – Vor dem Berolinahaus hat sich eine Hare Krishna-Truppe, vom charakteristischen Orange dieser Glaubensgemeinschaft ist jedoch nichts zu sehen, postiert und singt voller Inbrunst und Ausdauer. Die Singegruppe besteht aus fünf jungen Männern und einer ebenso jungen Frau, alle europäisch und winterfest gekleidet; bis auf einen der Jungs, der mit nackten Füßen in Sandalen steckt und sich besonders aktiv und hingebungsvoll bewegt. Vielleicht friert er einfach nur. – Vor dem Ausgang des SATURN-Einkaufscenters haben sich gleich vier Bratwurstverkäufer in Stellung gebracht. Einer von ihnen, wahrscheinlich hat er vom langen Stehen mit dem Bauchgestell die Nase voll, achtet gar nicht mehr auf die aus dem Kaufhaus heraus kommenden, potentiellen Kunden. Sein unmittelbarer Nachbar ist da offensiver und lacht insbesondere asiatische Touristen an. Die Preise sind bei allen vieren gleich: 1,20 € pro Wurst. Preisabsprache! Wo bleibt das Kartellamt?- Der U-Bahnsteig der Linie 8 Richtung Wittenau ist mit Feierabend-Menschen reichlich gefüllt. Als sich die U-Bahn hereinschiebt, poltert eine plötzliche, laute Lautsprecherstimme etwas von „Warten auf den nächsten Zug, wenn man nicht mitkommt“. Macht aber keiner. Die Stimme vom Band, die dann in der Bahn die nächste Station ansagt, ist wesentlich freundlicher und sorgt damit für einen guten BVG-Abgang an diesem Tag.

 

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4. Februar 2011 12:58:09

… auch erotisch: Robert Mapplethorpe Retrospektive bei C/O Berlin

Phillip Prioleau 1980
Phillip Prioleau, 1980

Schöne Männer, interessante Frauen. Die Welt mal leicht gekippt. Erotische Akte – manche nennen es pornografisch – mit dem Titel Thomas oder Schwanz oder Mann im Polyesteranzug. Nicht weniger erotische Blumenstillleben – zwei sich erregt zuwendende Tulpen und mehr. Eindrückliche Portraits von Louise Bourgeois, Annie Leibovitz, Grace Jones, Cindy Sherman. Interessante Frauen, wie einführend gesagt. Außerdem Isabella Rossellini. Und natürlich ein eigener Raum für sein erstes Modell: Patti Smith.

187 Arbeiten des 1946 geborenen und 1989 leider viel zu früh an AIDS gestorbenen radikalen Fotokünstlers Robert Mapplethorpe zeigt die immer noch im Ungewissen existierende C/O Galerie in einer Retrospektive, die Felix Hoffmann in Kooperation mit der New York Robert Mapplethorpe Foundation und dem NRW Forum Düsseldorf kuratierte.

„I never liked photography. I like the object.“ steht als Credo des Fotografen an einer der Wände des Alten Postfuhramts in der Oranienburger Straße, das mit seiner angegriselten Patina so exquisit für Fotoschauen geeignet ist. Insbesondere für diese. Man hat Mapplethorpe Obszönität vorgeworfen, seine Werke wurden zensiert. Dabei sind seine Bildwelten und visuellen Körperkompositionen Ästhetik pur und gleichzeitig ein Medium, mit dem er einer bigotten Gesellschaft den Spiegel vorhält. Wortwörtlich zum Beispiel bei Bill: in der Mitte ein Spiegel, links und rechts gerahmt vom Bild eines Penis. Oder im 1. OG und hart an der Grenze zum Heldenepos der durchtrainierte Body in der Pose des Athleten, eingebettet in die Geometrie des Kreises oder Quadrats. Dann Kinderbilder: Sarabelle im braven Kleidchen am Klavier, ein schlappender Schuh als Verweis auf die Bereitschaft, Konventionen zu sprengen, die artige Anmutung subtil unterwandert. Oder ist das nur meine Fantasie? Zur Voyeurin gemacht und eingeladen, über das unmittelbar Zweidimensionale vor meinen Augen hinauszublicken. Eine (viele) andere Ebene(n) zu sehen.

Noch bis zum 27. März Fotografien von Robert Mapplethorpe in der C/O Galerie. Täglich 11-20 Uhr. Eintritt: € 10,–.

 
 
 
 

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